Die Designer von neuer Technik
preisen ihre Produkte vorzugsweise im Namen der Sicherheit an. Ein
interessantes Gegenprojekt zu diesem Sich-in-Sicherheit-wiegen-durch-Technik
ist als „Konzept des umgekehrten Risikos“ bekannt geworden. Das Konzept klingt
einfach und einleuchtend. Wo alles geregelt, voraussehbar, ungefährlich erscheint,
ist der Hang zur Unachtsamkeit, zum Risiko und Abenteuer auch höher. Macht man
daher Dinge und Artefakte „gefährlicher“, wächst unser Gefahrensinn. Ein
Beispiel: Die häufigsten Unfälle im Haushalt sind Vergiftungen und Stürze. Was,
wenn man nun etwa Badewannen oder Treppen rutschiger aussehen lässt oder bestimmte
Substanzen als „gefährdernder“ markiert als sie in Wirklichkeit sind? Würde man
dadurch nicht auch unsere Aufmerksamkeit und unseren „Respekt“ für sie schärfen?
Wie der Technikdesigner Donald Norman schreibt:
„Wir leben
heute zu bequem, zu sehr isoliert von den Gefahren und Risiken (..) im Umgang mit komplexen, mächtigen Maschinen.
Wenn Motorräder und Automobile, wenn Geräte und Substanzen so riskant erscheinen
wie sie sind, würden die Leute vielleicht ihr Verhalten entsprechend ändern.
Wenn aber alles schalldicht abgedämpft, gepuffert und keimfrei ist, sind wir
der realen Risiken nicht mehr gewahr. Deshalb müssen diese Risiken wieder auf
eine realistische Art ins Bild gerückt werden.“[1]
Was das
konkret heisst, zeigt ein Experiment im öffentlichen Raum: shared space. Es geht von geradezu „revolutionären“ Gedanken aus,
dass der Mensch die Verantwortung für
seine Mobilität entdeckt. Hans Mondermann: „ Shared space gibt den Leuten
die Verantwortung für ihre Bewegungsformen zurück. Der Verkehr ist nicht mehr
durch Signale geregelt, die Leute regeln ihn selber. Und genau dies ist die
Idee. Strassenbenutzer sollten aufeinander achten und zu ihren gewöhnlichen
Manieren im Alltagsverkehr zurückkehren. Die Erfahrung zeigt, dass die Zahl der
Unfälle durch eine solche Massnahme rückläufig ist.“[2]
Mit welcher Reserve man diese
Idee auch zur Kenntnis nimmt – sie stellt das übliche Konzept vom Kopf auf die
Füsse, vom Sicherheits- zum Unsicherheitsdenken sozusagen. Dahinter verbirgt
sich aber ein weiterführender Gedanke: Die smartesten Objekte sind jene, die
unsere eigene Smartheit ergänzen, statt sie zu ersetzen. Sie bieten eine Intelligenz-Kollaboration an. An ihnen
zeigt sich im Übrigen der Imperativ der Techniknutzens: Lass die Geräte nicht
nur auf unbewusster Ebene auf dich wirken, sondern hebe den Gebrauch auf die
reflexive Ebene. Das Problem ist nicht die Technik, sondern ihr unbewusster –
viszeraler – Gebrauch.
[1] Donald Norman: The Design of
Future Things, Es bewahrheitet sich hier eigentlich in vollem Umfang, was
Arnold Gehlen bereits vor über einem halben Jahrhundert klar sah. Zu den
sozialpsychologischen Befunden einer durchautomatisierten Gesellschaft zählte
er auch den „Verlust eines Realitätsinnes“: „..eine von der Industrie
umgeschaffene, durchtechnisierte Aussenwelt, in der sich Millionen von
ichbetonten, selbstbewussten und auf Anreicherung ihres Erlebens bedachten
Menschen bewegen und für die das folgenlose, verpflichtungslose Lebendigwerden
an irgendwelchen ganz beliebigen Reizen und Eindrücken (..) nichts Fragwürdiges ist..“ (Arnold Gehlen: Die Seele im technischen Zeitalter,
S.63)
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