Aus dem Manuskript zu meinem neuen Buch "Die Welträtsel sind nicht gelöst"
Wir wissen
nicht, was wir nicht wissen. Endliche Geister, die wir sind, werden wir immer unvollständig
informiert bleiben über unsere Grenzen und Unvermögen. Wenn unser Geist zur
Natur gehört – und davon gehe ich hier aus -, dann folgt aus seiner
Begrenztheit auch die Begrenztheit der Naturerkenntnis. Man kann es – so sie
denn eine hätte - als Ironie der Natur sehen, dass sie mit dem Auftauchen der
Intelligenz für ihre eigene restlose Unerkennbarkeit gesorgt hat. Isis, die
Göttin der Natur, lässt sich nicht entschleiern.
Das
Auftauchen der forschenden Intelligenz revolutioniert die Welt. Denn plötzlich
gibt es Raum für Selbstbewusstsein in der Ordnung der Dinge. Und dieses
Selbstbewusstsein führt unter uns Menschen zum Bewusstsein der kognitiven
Bedingungen – also auch potenzieller Grenzen - von Erkenntnis. Intelligenz kann
sich selbst nicht vollständig begreifen.
Dazu müsste sie ja intelligenter sein als sie selbst. Sie kann sich vielleicht
mit künstlicher Intelligenz aufrüsten, aber dann stünde diese Intelligenz-plus-Technologie
wiederum vor dem gleichen Problem. Jede noch so entwickelte Hyperintelligenz
müsste einen Rest an Unerkennbarem hinterlassen.
Bei diesem
Rest handelt es sich nicht um Dinge, die (uns) noch unbekannt sind. Es geht
hier nicht um das Abstecken von Terrain, welches der Wissenschaft prinzipiell
unzugänglich wäre. Was sich wissenschaftlich fragen lässt, lässt sich auch
wissenschaftlich beantworten – positiv oder negativ. Es geht sozusagen um das Dispositiv des Fragens. Dieses
Dispositiv kann man sich als Lichtkreis vorstellen, in dem der notorische
Betrunkene seinen Schlüssel sucht. Wenn wir unsere Intelligenz mit dem
Lichtkreis vergleichen, dann besteht durchaus die Zuversicht, dass wir den
Lichtkreis fortgesetzt erweitern und immer mehr Schlüssel darin finden können.
Selbst der Schlüssel zu unserer Intelligenz – die neurobiologische Substruktur
– wird erkennbar. Nur nicht die
Intelligenz selbst ...
Herbert G.
Wells hat das einmal in einem äusserst einprägsamen Bild beschrieben: „Die
Wissenschaft ist ein Streichholz, das der Mensch eben erst angezündet hat. Er
dachte, er sei in einem Raum – in Momenten der Andacht, in einem Tempel -, und
dass sein Licht auf Wände mit Inschriften wundersamer Geheinisse falle und auf
Säulen, in die philosophische Systeme eingemeisselt seien, die ein harmonisches
Ganzes ergeben. Es ist eine seltsame Erfahrung, nun, da das Licht aufgehört hat
zu flackern und mit klarer Flamme brennt, wie es seine Hände erhellt und ein
kleiner Teil seiner selbst und des Fleckens sichtbar wird, auf dem er steht,
und um ihn her, statt all der Schönheit und des Trostes, die er glaubte,
erwarten zu dürfen, noch immer – Dunkelheit.“
Man muss sich, im Gegensatz zu Wells, dieses Dunkel nicht
„unschön“ und „trostlos“ vorstellen. Es ist das Geheimnis, das notwendig das
Licht umhüllt und ihm seine Kraft verleiht. Und unseren Erkenntnishunger nicht
stillt.